Reisegedanken
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Das erste Jobinterview nach einer Weltreise (Heimkehren Part 4)

Puh, noch eine Stunde. German Pünktlichkeit kann ich also noch. Mein Gespräch mit Frau Müller steht seit einigen Tagen fest, nachdem sie mir freundlich auf die Mailbox sprach. Und nun muss ich mich das erste Mal vorstellen. Oder besser gesagt: verkaufen! Pumps statt Wanderstiefel. Anzug statt Trekkinghose. Alles sitzt, aber passt es mir auch?

Als wir uns entschieden auf Weltreise zu gehen war ich 27 Jahre alt. Studium abgeschlossen, ersten Job ganz gut gemeistert. Nebenberuflich sogar noch weitergebildet und Aufstiegschancen zeichneten sich auch schon ab. Man mag es kaum glauben, aber das hatte ich mir damals, im zarten Alter von 20 Jahren, wirklich gewünscht. Unsere Ersparnisse würden sogar für die Anzahlung für eine kleines Eigenheim reichen. Trotzdem: es fehlte was. Das war nicht ich. Soviel spürte ich zumindest, und glücklicherweise gaben wir uns den Ruck, alles auf Null zu setzen.

Medienhafen, Parlamentsuferbrücke.

1,5 Jahre später: bei Null anfangen!

Ich mag nicht dieses „Die beste Zeit meines Lebens„- Gerede. Das würde ja bedeuten, jetzt ginge es nur noch bergab. War die Weltreise wirklich der Höhepunkt meines Daseins? Die, auf mein gesamtes Leben gesehene, kurzweilige Episode des Ausbruchs aus dem Hamsterrad? Steige ich jetzt für die kommenden 36 Jahre wieder in diese Tretmühle ein?

Kurz vor meinem Jobinterview mit Frau Müller sind diese Gedanken weit weg. Jetzt bin ich eigentlich nur nervös und gespannt und hoffnungsvoll. Das Konto ist leer. Und diesen Job hätte ich sogar ganz gerne. Außerdem fällt mir gerade nichts Besseres ein, als erstmal wieder Fuß zu fassen, einen Alltag aufzubauen und dann… ja, dann schauen wir halt mal. Diese Erkenntnis, nee, eigentlich diese Gewissheit, dass es schon irgendwie wird und dann auch noch anders als gedacht, die trage ich nun im Herzen.

Die Atmosphäre ist gut. Wir lachen direkt zu Beginn, das lockert die Stimmung. Ein bisschen Small-Talk über Anreise und das Wetter, dann geht´s ans Eingemachte.

Welche Fragen zur Weltreise kommen?

Das kennt sicher jeder, der mal länger unterwegs war: „Wo war es am Schönsten?“ und die negative Variante „Wo war es am Schlechtesten?“ Alternative: „Wo war es gefährlich?“

Ich hatte mich auf Vieles vorbereitet: mir überlegt, wie ich die Weltreiseentscheidung begründe, welche Kompetenzen ich auf Reisen erworben habe, die mir im Job nützlich sein würden, dass ich natürlich jetzt total gerne genau diesen Job haben würde etc.

Aber, und das ist auch wieder sowas Banales, aber Ehrliches: Letzten Endes unterschieden sich meine Gespräche nach der Weltreise kaum von jenen, die ich vorher führte. Weder Skepsis (gut, da wurde ich vielleicht auch einfach nicht eingeladen) noch Hurra-Jubel begegneten mir. Eine Auszeit ist kein Karrierekiller, vielleicht ist sie sogar Normalität geworden. Genauso, wie man jetzt nach dem Abi Work & Travel in Australien macht oder ein Semester in Barcelona studiert.

Was nach dem Jobinterview geschah…

Ich bekam ein paar Zusagen, nahm einen Job an und dann ging es Schlag auf Schlag: Umzug, 40h Woche, rare Freizeit, kurze Wochenenden. Und vor allem: die Zeit blieb stehen. Paradoxerweise verflogen die Monate nur so, es wurde Sommer, Herbst und Winter.

Und dann, an Silvester 2015, spürte ich, es ist Zeit, die Dinge neu zu sortieren.

Aber das ist eine kleine Geschichte, um die es in Teil 5 meiner Heimkehrserie gehen wird.

Dies ist der vierte Teil meiner Heimkehrserie. In Teil 1 geht es um das Ankommen am Flughafen Frankfurt, in Teil 2 beschreibe ich das Gefühlschaos am Beginn des Heimkehrprozesses und in Part 3 geht es um die erste Bewerbung nach unserer Weltreise.
Kategorie: Reisegedanken

von

Aylin zählt sich zur Generation (wh)Y und liebt es, Dinge zu hinterfragen, herumzuphilosophieren und das Leben aus allen Perspektiven zu beleuchten. Gerne auch mit ihrer Kamera. Der zweite Kaffee am Frühstückstisch ist für sie der Inbegriff von Luxus (Zeit + Genuss = Lebensfreude). Wollte mit zart-naiven 16 Jahren mal Journalistin werden und die Welt retten, dieser Blog ist quasi die Erfüllung ihres Mädchentraums.

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