Asien, Nepal, Reisegedanken
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Kathmandu: Das Abenteuer vor Augen

Im Landeanflug auf Kathmandu an einem trüben Vormittag. Was ich aus dem Fenster sehe, bezeichne ich an guten Tagen wohlwollend als interessant. Tatsächlich geben die Betonklötze entlang der staubigen Schotterpiste ein eher trostloses Bild ab. Während des Fluges hatte ich ein Glas Rotwein getrunken, weil das gerade ganz gut passte, zu dem temporären Selbstbild des mondänen Globetrotters. Man muss sich viel öfter einfach mal gehen lassen, dachte ich da. Ich bin ein Mensch frei von Verpflichtungen!In diesem Mindset verlasse ich auch den Flughafen. Ich fühle mich mit Aylin tief vereint in der Hoffnung auf das große Abenteuer: Wir wollen Berge besteigen, Schneestürmen trotzen, Grenzen austesten. 30 Stunden Reisezeit in den Knochen, eine Nacht am Flughafen von Kuala Lumpur auf einer Metallbank geschlafen: alles egal. Ich strotze vor Energie.

Die Zustände im Allgemeinen

Die Taxifahrt zum Touristenviertel Thamel und die damit einhergehenden ersten Eindrücke der Stadt sind sehr sonderlich. Oft sind es die Zustände im Allgemeinen, die wir Europäer immer so bemerkenswert finden:

„Schau mal, wie alt das Taxi ist! Schau mal, was die hier als Straße bezeichnen! Schau mal, wie die Menschen hier leben! Schau mal, Kühe auf der Fahrbahn!“

Über diese Qualität an Feststellungen komme auch ich nicht hinaus. Es geht nicht anders. Ich führe Smalltalk mit dem Fahrer, doch die Konzentration darauf fällt schwer. Die Augen liefern einfach zu irrsinnige Bilder. Wir fahren gleich zu Beginn am Krematorium Pashupatinath vorbei. Dichter Rauch vernebelt die Sicht. Menschen in mir fremden Gewändern säumen die Straßen.

„Schau mal, hier werden gerade Leichen verbrannt.“

Der Staub der Straße überzieht alles, sogar die Menschen. Alles wirkt etwas trüb, als hätte man dieser Stadt die Farben entzogen.

Kathmandu

In Thamel verdichtet sich der Verkehr zu Straßen, die so eng sind, dass ich instinktiv dem Fahrer davon abraten will, einzubiegen. Der klappt die Außenspiegel ein und hupt rigoros alle Touristen, Straßenhändler, Rikschafahrer und Kühe aus dem Weg. Der Eingang zu unserem Hotel ist so schmal, dass man beim Eintreten fast seitlich gehen muss.

In the Ghetto

Das Touristenviertel. Hier kommen alle Reisenden zusammen, wie durch ein Nadelöhr, durch das jeder geht, der nach Nepal reist. Wir schieben uns durch die Straßen, laufen ständig hintereinander, der Platz der Straße reicht nicht für alle. Mit dem, was wir eben noch auf der Taxifahrt sahen, hat das nichts mehr zu tun. Alle Annehmlichkeiten, die der Tourist schätzt, sind nun omnipräsent: Lavazza Kaffee, Burger & Fries, Outdoor- und Souvenirläden. Das kritisiert man dann als sogenannter kultivierter Traveller gerne, vermisst das Ursprüngliche und beklagt den Niedergang der hiesigen Kultur. Darüber kann man nun ewig diskutieren. Aber man muss den lieben Gott auch einfach mal ’nen guten Mann sein lassen, denke ich, während ich an einem perfekten Cappuccino nippe.

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Wer braucht schon Strom?

Man sollte den Strom nutzen, solange er da ist. Ganze 10 Stunden täglich müssen die Kathmanduer ohne auskommen. Landflucht und Bevölkerungswachstum führten zu einer Bevölkerungsexplosion in den vergangenen Jahren. Da nicht genug Strom für ganz Kathmandu produziert werden kann, wird den einzelnen Stadtteilen im Wechsel der Saft abgedreht. Wir stehen mitten auf einer Kreuzung als das passiert. Es ist stockfinster. Eigentlich wollten wir nur noch schnell etwas Essbares besorgen. Mit unserer Taschenlampe tasten wir uns stattdessen zwischen hupenden Autos umher, probieren nicht in Straßengräben zu fallen. Als ich in eine Ecke leuchte und mich ein Obstverkäufer anlächelt, kriege ich fast einen Herzkasper. Die Kathmanduer zeigen sich weniger beeindruckt. Es ist gerade mal 20 Uhr, als wir in den Supermarkt Thamels stolpern.

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Yak-Käse und Merlot: Hier bist du richtig!

Im Neonlicht des per Generator hell erleuchteten Supermarktes fällt unsere Wahl auf ein Stück Yak-Käse. An der Kasse lernen wir eine Französin kennen, die uns kurzerhand  zum Abendessen einlädt. Ich fühle mich angenehm seltsam, fast wie in Trance. Stetig neue Adrenalinschübe überlagern seit unserer Ankunft heute früh die Müdigkeit. Gehen wir mit? Klar, dieser besondere Tag soll noch weitergehen.

Der plötzliche Kontrast zu Tisch: Ruhe. Eine Kerze flackert. Das Gespräch ist angenehm unaufgeregt. Einen Rotwein, bitte. Mit dem ersten Schluck trockenem Merlot blende ich alles um mich herum aus. Ich bin am rechten Ort. Zur rechten Zeit.

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Kategorie: Asien, Nepal, Reisegedanken

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Stefan ist ein echter Travel Enthusiast! Sprachen und Reisen sind seine Leidenschaft. Darum hat er auch Englisch und Spanisch studiert. Seit der Weltreise krempelt er seine Karriere gerade komplett um. Seine Lieblingsthemen: das Unbekannte und Outdoorabenteuer.

4 Kommentare

  1. Pingback: New York City | Today We Travel

  2. Danke für die netten Kommentare! Unsere Reise ist zur Zeit sogar so toll, dass wir uns kaum Zeit genommen haben Artikel zu verfassen. Das holen wir sehr bald nach!

    Ganz lieber Gruß aus Kolumbien!

  3. Ihr schafft es immer wieder, dass man beim Lesen eurer Artikel mittendrin dabei ist… und das ist fantastisch! Habt weiterhin eine gute Reise… (und schreibt bitte weiterhin so tolle Artikel darüber ;-)). Lieber Gruss aus Zürich, Nina

  4. lisa sagt

    die Vernetzung mit den links gefällt mir super!
    ich wünsche euch noch viele solche ‚besonderen Tage‘ und freue mich via blog an euren Erlebnissen und reflektierten Gedanken teilnehmen zu können!

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