Endlich öffnet sich die Badezimmertür. Aylin tritt heraus und ich bemühe mich, meinen unsäglichen Drang diesen Wandertag endlich zu eröffnen, in die Aussage, „So, jetzt aber“ zu legen. Erstmal ans Ufer und dann immer am Watt entlang, so der Plan.
Dezember in Büsum
Was war das eigentlich für ein Vorhaben, ein Adventswochenende in Büsum, diesem trüben Küstenort zu verbringen? Richtig Tag wird es hier im Dezember schließlich selten. Die Ausflugsschiffe zu den vorgelagerten Inseln schwanken noch bis zum Frühjahr friedlich im Hafen.
Die Fußgängerzone? Eine recht überschaubare Affäre. Die Antwort kann also nur lauten: man nimmt genau diese Unwirtlichkeit und macht sie zum Thema der Reise. Am Watt begegnen uns vereinzelt noch andere Ausflügler. Viele haben sich Gummistiefel mitgebracht und wagen nun den Gang auf das schlammige Geläuf. Es dauert jedoch nicht lange und wir durchqueren menschenleere Einsamkeit. Links das Meer, rechts der Deich. Monotonie. Der gerade Weg verläuft sich in der Ferne. Mir gefällt das Setting jedoch: Der immer dichter werdende Nebel verengt das Wahrnehmbare. Ausgerechnet das Meer, das so für Weitsicht und die Verbundenheit zur Welt steht, liegt nun im Trüben. Es wirkt wie ein stilisiertes Foto, dem man sämtliche Farben entzogen hat und nur die Farbe des grünen Grases verstärkt hat.
Wir wandern unbekümmert vorwärts. Aylin freut sich wie ein kleines Mädchen, als wir einer Schafherde ganz nah kommen, ich wiederum freue mich einfach daran, dass sie sich freut. Wenn die nahende Dunkelheit uns nicht zur Umkehr gezwungen hätte, wäre ich wohl ewig weitergelaufen.
Hier muss Hauke Haien Zuhause sein
Der nordfriesische Deichgraf Hauke Haien aus Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ geistert mir durch den Kopf. Dieser mochte lieber zurückgezogen leben. Bis tief in die Nacht beobachtete er stets wie die Wellen gegen den Deich schlugen. Er war ein akribischer Arbeiter, doch wenig sozial und ungesellig. Ein Mensch so rau wie die Nordsee. Diese fiktive Figur, hier würde sie zu Hause sein.
Beim Reisen innerhalb Deutschlands muss man noch genauer wahrnehmen als sonst. Das war mir schon auf dem letzten Abschnitt der Anreise aufgefallen: mit der AKN-Bahn ging es über Jarrenwisch und Süderdeich nach Büsum. Wir saßen so routiniert da, weil die Reise keine Herausforderung darstellte. Man kennt die Sprache der Menschen, man weiß wie der Ticketautomat am Bahnhof funktioniert. Doch der Abgleich mit der eigenen Sozialisation offenbart wie fremd das Leben in diesen abgelegenen, nebelverhangenen Dörfern sein muss: Kinder nehmen den Zug zur Schule, vor den Bauernhöfen weiden die Schafe und die Schaffnerin kennt viele Fahrgäste persönlich. Das kenne ich aus meiner Kindheit nicht. Natürlich ist das jetzt keine regionale Besonderheit, sondern vor allem eine Beschreibung eher dörflicher Umstände, die letztlich bundesweit erkennbar werden, wenn man sich mal ein paar Kilometer von den Städten entfernt. Für mich ist das eine andere Welt.
Schweinebacke für alle!
Büsum kommt uns sympathisch altmodisch vor. Auch das Wort „Halbpension“ wirkt etwas angestaubt, wird hier aber ganz selbstverständlich angeboten. Folglich sehen wir uns am Abend mit einer Auswahl von drei deftigen Fisch-, bzw. Fleischgerichten konfrontiert. Unverträglichkeiten oder gar vegane Essgewohnheiten sind hier kein Thema. Schweinebacke für alle. Ich blicke mich im Restaurant um. Keine Überraschung: Jung ist das Publikum nicht. Von weit her scheint es auch nicht zu kommen. Und irgendwie drängt sich die Frage auf, wo diese Menschen tagsüber alle waren – am Watt jedenfalls nicht. Dazwischen sitzen wir mit der Entspannung zweier Großstädter, die 22 Kilometer gegen den Nordseewind gelaufen sind und danach den wohlverdienten Saunagang eingelegt haben. Wir trinken große Saftschorlen und haben danach immer noch Durst.
Jetzt weiß ich, wo ich hinkommen kann, wenn die Beine unruhig werden, weil mich „das Draußen“ ruft: an die Küste. Im Winter, im Nebel, im Wind. Hier hat man nur sich selbst und das Wetter. Am Ende des Tages wird man sich mit beidem arrangiert haben.
Du möchtest auch mal nach Büsum? Hier unsere Tipps:
- Anreise: Mit dem Zug kommt man ganz bequem nach Büsum, der kleine Bahnhof liegt zentral.
- Büsum hat einen kleinen Stadtkern mit ein paar urigen Kneipen und Restaurants. Fühlt sich ein wenig so an, als sei hier die Zeit stillstehen geblieben. Fischbrötchen gibt’s in der Fußgängerzone und auch am Hauptstrand- allerdings wohl nur in der Saison, im Winter waren alle Buden am Meer zu.
- Im Hotel zur Alten Post übernachtet man in einem alten Friesenhaus- hat was. Die Halbpension war in Ordnung, wer allerdings vegetarisch/ vegan essen möchte hat’s schwer. Ist eben deftige Hausmannskost.
- Wandern kann man entlang des Deichs gen Norden- ewig! Die Strecke ist eben und kann auch mit dem Rad gefahren werden. Unterwegs trifft man höchstens auf Schafe und Ponys 🙂
- Eine Wattwanderung kann man natürlich auch machen. Gezeiten beachten!
- Vom Frühling bis Herbst verkehren Fähren zu den Seehundbänken und nach Helgoland.
- Bei schlechtem Wetter ist das Erlebnisbad Piraten-Meer ganz witzig. Es gibt ein Wellenbad und eine nette Saunalandschaft. Die Dachsauna mit Blick auf das Meer ist cool, äh, hot. Wir hatten sogar mit der Tourismuskarte (wg. Tourismussteuer) den Eintritt inklusive. Fragt also in eurem Hotel, ob die auch so einen Deal anbieten.
Wandern, egal wo, ist etwas ganz besonderes für mich: Warum das so ist, habe ich erst neulich in Wales beschrieben!
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