Es gibt kaum einen Ort, der mir so perfekt vorkommt, wie der Wilson’s Promontory Nationalpark. Eigentlich gar keinen. Australiens südlichster Zipfel ist makellos.
Es wäre ja zugegebenermaßen eine Tätigkeit, die dem Vorurteil des deutschen Urlaubers voll und ganz entspräche. Da ist man nun um die halbe Welt geflogen, in einen paradiesischen Nationalpark weitergereist, nur um dann auf sogenannte „Mängel“ hinzuweisen. Eigentlich ein Typ Reisender, den ich so gut es geht meide. Hier wäre ich ausnahmsweise mal gerne einem solchen Nörgler begegnet, denn er müsste schon eine beispiellose Fantasie haben, um an diesem Fleckchen Erde auch nur den Ansatz eines Makels zu entdecken.
Brent Moran ist Chief Ranger hier in Wilson’s Prom und macht genau das beruflich. Er durchschreitet den Park mit Argusaugen und zieht sofort sein Funkgerät aus der Gürtelschnalle, wenn er etwas zu beanstanden hat. Ein Perfektionist in einer makellosen Umgebung.
„Der Park ist unglaublich schön und wunderbar gepflegt“, sage ich ihm, als wir Hände schütteln. „Naja, es geht immer besser.“, antwortet er. Wir treffen uns am Visitor Center, um das sich das kleine Zentrum des Parks herum strukturiert. Hier sind Stellplätze für Wohnmobile und praktischerweise gibt es sogar ein Restaurant und einen Supermarkt. Höfliche Ranger gehen hier ein und aus, in voller Montur mit Khaki-Outfit, Tropenhelm und Walkie-Talkie. Unser kleiner Rundgang führt zunächst über die Brücke des Tidal River: „Siehst du, hier hätte ruhig mal jemand das Laub beiseite fegen können“, sagt Brent und ich merke erst jetzt, dass er scherzt. Natürlich weiß er, dass sein Arbeitsplatz vielleicht zu den schönsten Flecken dieser Erde zählt.
Der Wilson’s Promontory Nationalpark, von Kennern nur The Prom genannt, ist im australischen Frühling herrlich ruhig. Über 500km² ziehen sich unberührte Traumstrände, (Regen-)Wälder und Granitfelsen. Was tut man in dieser paradiesischen Einsamkeit am besten? Man könnte sich seine Lieblingsbucht aussuchen um dort nichts weiter zu tun, als den Lauf der Sonne zu beobachten. Erst am Abend, wenn sie längst ins Meer abgetaucht ist und der Park in ihrer warmen orangefarbenen Hülle liegt, würde man das Zelt aufsuchen. Das wäre sicher genug Aktivität: Es reicht vollkommen aus, einfach anwesend zu sein, in dieser perfekten Natur.
Und wenn man sich schon bewegen möchte, sollte man bergauf gehen, um die Traumwelt von oben in den Blick zu bekommen. Genau das tun wir mit Brent: Er zeigt uns verschiedene Aussichtspunkte. In Null Komma Nichts steigen wir auf zunächst auf Pillar Point, den höchsten Punkt einer kleinen Halbinsel. Immer wieder klappt mir die Kinnlade herunter, angesichts der endlosen Blicke über weiße Strände, die scheinbar ewig flach ins türkise Wasser gleiten. Auf der einen Seite liegt Norman Beach und auf der anderen blicken wir gar über mehrere Buchten hinweg: Whisky Bay, Picnic Bay und Squeaky Beach, der nur so heißt, weil der feine Sand hier so herrlich unter den Zehen quietscht.
Die kleine Tour auf den Mount Oberon (558m) gehen wir am nächsten Morgen an. Vom Telegraph Saddle Parkplatz läuft man noch eine Stunde bis zur Spitze. Es wird vor Tiger Snakes, also Tigerottern auf dem Weg gewarnt. Sie leben nur hier im südlichen Australien, sind hochgiftig und greifen wohl gerne auch proaktiv an, wenn sie sich bedroht fühlen. Ein Großteil der tödlichen Schlangenbisse in Australien geht genau auf diese Art zurück. Wohl aus naiver Neugier hoffe ich auf eine Begegnung mit diesen gruselig-fantastischen Wesen. Aber mein Blick schweift vergeblich über die Büsche am Wegesrand, die Tiger Snakes verschonen uns. Kurios ist jedoch: auf dem Weg lerne ich ein Ehepaar aus Bayern kennen, das nur knapp vor uns gelaufen war und gleich zwei Exemplare gesehen hat – und dies mit Fotos belegen kann.
Kurzer Einschub: Die Tierwelt hier ist ohnehin einmalig. Einmal wäre uns in der Dämmerung fast ein Wallaby vor das Auto gelaufen, welches ich glatt mit einem Känguru verwechselt hätte. Diese kommen hier eigentlich zahlreich vor. Eigentlich. Uns sind sie wohl aus dem Weg gegangen, so dass es fast zum tragischen Running-Gag wurde, dass wir erst später, in den Gehegen des Healesville Sanctuary welche sahen. Dafür haben wir einmal einen relaxten Wombat beim Abendessen beobachtet und während wir auf der Terrasse saßen, schaute ein knallroter Pennantsittich vorbei um eine Mandel zu stibitzen.
Erst am Ende des steilen kurvigen Weges treten wir aus dem Schatten des Waldes heraus. Ein paar aufgetürmte Felsbrocken markieren die Spitze des Mt. Oberon. Der perfekte Rundumblick von hier oben ist kaum auszuhalten, so makellos ist er. Das Meer läuft hier so zuversichtlich sanft in die Brandung. Sein harmonischer Farbverlauf führt das Auge in die Ferne, wo es auf die markanten Felsen trifft, die so unerschütterlich den Gezeiten trotzen. Eine Vogelschar zieht vorüber, die tiefgrünen Bäume wiegen sanftmütig im Wind. In Zeiten von Klimawandel und Umweltzerstörung ist es fast anrührend einen Ort zu erleben, der so natürlich intakt scheint.
So komisch es klingt, aber Wilson’s Prom ist immer noch ein echter Geheimtipp. Vor allem unter ausländischen Touristen, die hier gerade einmal 10% der Besucher ausmachen. Dazu kommt, dass sehr restriktiv darauf geachtet wird, den Ort nicht zu kommerzialisieren – es gibt also keine privaten Hotels oder sonstige Geschäfte im Park.
Ein Großteil der Gäste bleibt wohl im südlichen Teil des Parks, nahe des Campingplatzes. Wer es etwas abenteuerlicher mag, besorgt sich eine Genehmigung der Parkbehörde und verschwindet gen Norden. Hier in der Wilderness Zone, wie sie diesen Bereich nennen, muss man auf Toiletten, Wanderwege und alles was sonst so unter den Begriff „Infrastruktur“ fällt, verzichten. Dafür kann man sich wohl für ein paar Tage wie ein echter Aussteiger fühlen.
Genau das habe ich mir vorgenommen für meinen nächsten Besuch hier. Ich wollte schon immer mal diese Art von Wildnistour machen, wo man seinen Rucksack auf dem Kopf tragen muss, während man durch tosende Flüsse watet. Abends, wenn nur noch die Zikaden zirpen, sitzt man vor dem Zelt und lauscht der Ruhe. Auch das wäre perfekt.
- Von Melbourne aus dauert es knapp 3 Stunden bis zum Wilson’s Promontory Nationalpark. Öffentliche Busse fahren keine, man muss also selbst einen Wagen mieten. Alternativ kann man Touren aus Melbourne buchen. Die gibt es beispielsweise von Bunyip-Tours.
- Im Idealfall kauft man sich vorher sämtliche Verpflegung – im Park ist das Angebot eingeschränkt und die Preise sind höher.
- Man muss nicht unbedingt ein eigenes Zelt oder Wohnmobil dabei haben. Es kann auch in Lodges, Hütten oder fest installierten Glampingzelten übernachtet werden – nur reservieren sollte man rechtzeitig.
- Die Parkadministration hat eine wunderbare Übersicht mit allen Infos über Wanderungen in Wilson’s Prom herausgegeben. Von kürzeren Spaziergängen bis hin zu mehrtägigen Wandertouren ist alles dabei.
- Ein besonderes Highlight soll die Übernachtung im historischen Leuchtturm sein. Man kann eine 20km Wanderung hierher machen und dann in vollkommener Einsamkeit übernachten!
Transparenz: Ich wurde auf die Reise nach Melbourne und Umgebung von Qatar Airways und Visit Melbourne und eingeladen. Vielen Dank für die hervorragend organisierte Tour!
Wie cool, sehr gute Entscheidung! Die „Prom“ fand ich wirklich außergewöhnlich schön. Es hatte fast was paradiesisches! Ich wünsche euch einen ganz tollen Wandertag mit vielen hervorragenden Aussichten!
Grüßt mir Down Under 🙂
Huch, bitte entschuldigt die vielen hässlichen Vertipper in meinem Kommentar- so sollte das nicht aussehen :-/
Wir werden morgen im The Prom wanyern gehen – ds hsb icj nich daran erinnert, bei Euch einen schönen Artikel darüber gelesen zu haben. Also zack, nachgeschaut und gleich nochmal die Vorfreude sehr gesteigert.
Danke dafür!
Liebe Grüße aus down under,
Sabine & Uli
Danke für das Teilen dieses Posts! Es ist interessant und voller nützlicher Informationen!