Asien, China
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Boommetropole Shenzhen {Nihao 你好 China}

Ratlose Gesichter, deren Mimik ich nicht lesen kann. „Transfer flight“. Ich wiederhole diese zwei Worte immer wieder. Innerlich bereite ich mich darauf vor, meinen Anschlussflug nach Shenzhen zu verpassen. Meine roten Augen und das zerknautschte Äußere passen hervorragend zu meiner Stimmung. Auf dem Flug von Amsterdam nach Peking konnte ich kaum schlafen. Die Frau am Schalter winkt mich lediglich mit einer Handbewegung fort, das war nun Person Nr. 5, die mir nicht weiterhelfen konnte. Gequältes Lächeln. Ich unterdrücke Verzweiflungs-Müdigkeits-Tränen und schleife meinen 19kg schweren Koffer und 10 kg Rucksack hinter mir her. Welcome to China.

Lost in Translation

Meine erste Chinareise ist eine 11-tägige Geschäftsreise. Dass es anstrengend würde, hatte ich mir gedacht. Nicht nur, weil ich einen straffen Zeitplan habe, sondern weil China ein neues Pflaster ist. China schüchtert mich ein. So groß, so anders.

china u bahn metro zeichen

Jetzt stehe ich also hier in Peking am Flughafen. Die Einreiseschlange für Ausländer ist endlos lang und wider Erwarten muss ich mein Gepäck abholen und neu einchecken. Meinen Anschlussflug nach Shenzhen verpasse ich. Und dann stehe ich vor Mitarbeiterin Nr. 5, die mich nun auch wieder weg schickt. Wie ein geprügelter Hund ziehe ich weiter. Lost in translation. Ich muss mir selber gut zureden, um die Contenance zu wahren. „Saving face“ und lächeln fallen mir in Stresssituationen schwer. Wäre Stefan jetzt da, würde er wahrscheinlich übernehmen, das ist seine Stärke. Aber heute bin ich alleine unterwegs. Wenn ich müde und gestresst bin, reagiere ich schnell gereizt. Oder ich fange an zu heulen. Beides nicht unbedingt souverän.

„Jetzt reiß‘ Dich zusammen, Aylin!“, treibe ich mich innerlich an.

Mitarbeiter Nr. 7 ist dann tatsächlich dafür zuständig, mir ein neues Ticket auszustellen.

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Boom, Boom, Shenzhen

Der Flug nach Shenzhen dauert weitere 3,5 Stunden, die Stadt ist eine von Chinas Boomcities. Vor 30 Jahren war Shenzhen ein Fischerdorf, mittlerweile leben hier 12 Millionen Menschen. Wie Dominosteine reihen sich gleichförmige Hochhäuser sorgfältig aneinander.

Betongraue Häuser an betongrauem Himmel.

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Metro U Bahn Shenzhen China

Rush Hour in der Metro. Shenzhen.

Nach 25 Stunden Reise erreiche ich mein Hotel. Später werde ich sagen: Natürlich fahre ich mit der Metro, weil das ist ja viel authentischer und sparsamer. Wahr ist aber: Es erscheint mir einfacher, mit der Metro zu fahren, als ein Taxi zu nehmen. In meinem Zustand fühle ich mich nicht mehr in der Lage, mit einem Taxifahrer womöglich verhandeln zu müssen. Oder an der falschen Adresse rauszukommen.

Bezeichnenderweise befindet sich mein Hotel in einer Shopping Mall. Frisches Geld, neuer Reichtum, hohe Nachfrage. Shop till you drop. In Chinas Metropolen scheint sich alles ums Geld ausgeben zu drehen.

Ungeachtet meiner Müdigkeit zwinge ich mich die letzten Tagesstunden wach zu bleiben. In der Dämmerung begebe ich mich auf die Suche nach etwas zu Essen. Es stellt sich heraus, dass ich in einer belebten Shoppingzone namens Dongmen bin.

Dongmen: Shenzhen’s Shoppingdistrict

Mit den Menschenmassen fließe ich durch die lichtdurchfluteten Straßen. Die Foodstalls am Wegesrand dampfen, es riecht erst nach süßen Waffeln, dann nach Fisch oder Fleisch. Aus den Geschäften plärrt Elektropop. Schrille, blecherne Töne. Zusätzlich preisen Marktschreier ihre Top-Deals über Mikrofone an, in manchen Geschäften werden klappernde Rasseln eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erhaschen. Ich probiere unauffällig zu staunen, bloß nicht aus der Masse hervorstechen. Das tue ich natürlich sowieso als weiße Europäerin. Beachtet werde ich allerdings wenig, nur, wenn ich zu langsam gehe oder mitten auf dem Weg stehen bleibe, ecke ich an. Fischschwarmartig müssen die Menschen dann um mich herumfließen, doch da viele Leute auf ihr Handy starren, funktioniert das unzuverlässig. Gegen die Nacht strahlen Neonröhren mit Reklamebotschaften. Und eigentlich möchte ich jetzt wirklich weiterlaufen, gucken, mir die Augen reiben und stauen. Doch bereits nach einer Stunde wird mir ganz schwummrig.

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Suppenküchen in Shenzhen.

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Doch ich brauche ja noch was zu essen. An einer Straßenecke ist besonders viel los. Als ich mich schüchtern an die Menschenmenge traue, springen mir poppige, kunterbunte Farben ins Gesicht: Hurra, ein Obststand. Nach einer Weile glaube ich, das System verstanden zu haben (Obst in Plastikschale packen, dann wird’s geschnitten, gewogen und verspeist). Verlegen bestelle ich mit Gesten einen Riesenobstsalat, und während ich diesen von einer Treppe vor einem Einkaufsladen verschlinge, setzt endlich innere Ruhe ein.

Shenzhen Obst Streetfood Obstsalat China

Mein persönliches Paradies: Ich liebe die frischen Früchte in Asien.

Die eigentliche Attraktion: Atmosphäre tanken

Nach meinen Terminen verbringe ich die Zeit auf den Straßen, beobachte staunend das rege Treiben. Shenzhen ist keine Touristenhochburg, es gibt ein paar Vergnügungsparks und diverse Shoppingmalls. Richtig schön (im klassischen Sinne) ist die Stadt nicht.

Die eigentliche Attraktion ist die Atmosphäre einer wachsenden chinesischen Metropole, die europäische Dimensionen in ein neues Licht rückt. China, das ist trotz Globalisierung für mich ein fremder Ort. Es wäre vermessen, in so kurzer Zeit China (oder „die Chinesen“, die es sowieso als homogenes Kollektiv nicht gibt) verstehen zu wollen. Doch zumindest entwickle ich ein Gefühl, das ich nun abrufen kann, wenn von China die Rede ist: Die schiere Größe des Landes, plötzlicher Wohlstand, die neu entstehende Mittelschicht, der Bauboom und der Kapitalismus innerhalb eines kommunistischen Systems.

All diese Dinge werden hier vor meine Augen gespült.

Der kleine Obststand am Eck wird mein Bezugspunkt. Jeden Abend hole ich mir eine riesige Schüssel frischer Früchte und setze mich auf die Treppen gegenüber von dem Laden. Hier, direkt vor einer der unzähligen Shoppingmalls, zieht die Welt an mir vorüber. Während ich mundgerechte, süße Ananas-, Mango- und Dragonfruitstücke genieße, beobachte ich die schonungslose Hektik der Stadt aus sicherer Distanz.

Innere Ruhe kehrt dann ein: Zum ersten Mal China. Allein auf Geschäftsreise. Es funktioniert.

Und Shenzhen lässt mich nur erahnen, was mich auf meinem nächsten Stop erwartet: Shanghai, here I come!

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Suppenküche in Dongmen. Alle Fotos sind übrigens mit dem Smartphone entstanden.

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Und es wird weitergebaut.

Shenzhen Fahrrad Verkehr

Du fliegst nach Shenzhen? Hier ein paar Erfahrungs-Tipps:

  • Dongmen Pedestrian District: Hier kann man in einer Fußgängerzone einkaufen und vor allem in den Seitenstraßen hervorragend essen: Suppen, Fleisch und Fisch am Spieß, Waffeln, süße Tees und Fruchtshakes, frisch geschnittenes Obst. Am besten der Nase folgen.
  • Spaziergang durch den Flower Exhibition Park, wo man ältere Menschen beim Tai Chi beobachten kann.
  • Dafen Oil Painting Village: Ein so genanntes Künstlerdorf. Ähem. Hier werden Kunstwerke im großen Stil gefälscht und verkauft.
  • Metrosystem & Kosten: Shenzhen hat ein gut ausgebautes Metronetz und die Haltestellen sind auf Englisch ausgeschrieben. Die Fahrten kosten zwischen 4 und 8 CNY. Tickets erhält man in den Metrostationen an Automaten.
  • Anbindung Flughafen: Die Fahrt mit dem Taxi dauert ca. 1 Stunde ins Zentrum und kostet circa 100 CNY. Die Metroanbindung ist gut, das Ticket ins Zentrum kostet 8 CNY.
  • Taxifahren: Ist recht günstig. Wer beispielsweise von Dongmen nach Shenzhen Bay fährt, zahlt etwa 75 CNY (=10 Euro). Man sollte unbedingt die Zieladresse auf Chinesisch parat haben, da Englisch kaum gesprochen wird. In China ruft man ein Taxi am einfachsten über den Online Dienst „Didi“, quasi die chinesische Uber-Variante.
  • Hotelempfehlung: Das Hyatt Dongmen liegt zentral, ist ein klassisches Business Hotel und bietet alles, was man so braucht. Sogar das Internet funktioniert prima (trotz Chinas Zensur konnte ich hier Facebook, Google & Co. nutzen)
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Aylin zählt sich zur Generation (wh)Y und liebt es, Dinge zu hinterfragen, herumzuphilosophieren und das Leben aus allen Perspektiven zu beleuchten. Gerne auch mit ihrer Kamera. Der zweite Kaffee am Frühstückstisch ist für sie der Inbegriff von Luxus (Zeit + Genuss = Lebensfreude). Wollte mit zart-naiven 16 Jahren mal Journalistin werden und die Welt retten, dieser Blog ist quasi die Erfüllung ihres Mädchentraums.

4 Kommentare

  1. Doris sagt

    Hallo Aylin, ich bestaune und bewundere schon lange was du und Stefan so alles auf euren Reisen erlebt. Es ist ganz wunderbar eure Berichte zu lesen und manchmal hat man das Gefühl dabei zu sein.
    Und jetzt diese Chinareise, allein in einer doch irgendwie sehr ungewohnten Kultur. Also, ich muss sagen, deinen Mut finde ist grandios. Ich bin gespannt und freue mich auf deine nächsten Reiseerlebnisse.
    Ich wünsche dir viel Spaß, Erfolg und Glück auf dieser Reise. Pass gut auf dich auf.
    Ganz liebe Grüße von eurer Nachbarin. Doris

    • Liebe Doris,

      Mensch, was freu ich mich über Deinen Kommentar- klasse, dass Du hier online mitreist. Ja, China ist bei all den Abenteuern für mich eine persönliche Herausforderung, aber genau darum mehr als nur eine Reise wert!

      Liebste Grüße
      Aylin

    • Hey Eddy,

      gern geschehen- wenn ich Dich mitnehmen konnte, freu ich mich total- es ist ja doch immer eine Herausforderung (und manchmal auch persönliche Scheu), (m)ein Gefühl hier im Netz zu transportieren.

      Und Du als Läufer weißt ja: man wächst an seinen Herausforderungen 🙂

      Liebe Grüße
      Aylin

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