Asien, Malaysia
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Megacity in Malaysia: Kuala Lumpur (2)

In Kuala Lumpur wird uns die Schönheit nicht auf dem Tablett angeboten.

Da Malaysia für uns Neuland ist, ist es für mich besonders spannend, die Menschen zu beobachten. Das Gefühl, das von den Menschen ausgeht, ist für mich immer ausschlaggebend ob ich mich an einem Ort wohl fühle oder nicht. Denn auch wenn ein Land vor toller Natur und prachtvollen Bauwerken strotzt, bleibt die Erinnerung daran schal, wenn einen die Einheimischen nicht willkommen hießen. Umgekehrt funktioniert das auch: wenn die Menschen Wärme und Menschlichkeit ausstrahlen, kann man auch einen weniger schönen Ort durchaus positiv gestimmt verlassen.

Fernsehen in Kuala Lumpur kl2-5

Reizüberflutung

Und wenn ich darüber nachdenke, bekomme ich das Attribut ‚schön’ nur schwer mit dieser Stadt in Einklang. Dafür fehlt oft die Ästhetik, Vieles wirkt unaufgeräumt für mein Auge. Momente ziehen blitzschnell an mir vorbei und ich muss mich anstrengen, meine Aufmerksamkeit auf einer Person, einer Handlung oder einer Interaktion ruhen zu lassen. Hier spielen 2 Taxifahrer Mühle mit Kronkorken auf einem Klapptisch am Straßenrand. Um sie herum braust der Verkehr, doch wirken sie als säßen sie im eigenen Wohnzimmer. Dort feilscht eine Frau, bis auf die Augenschlitze durch ihr schwarzes Gewand vermummt, knallhart um gefälschte Prada Handtaschen, von denen sie später fast ein Dutzend in ihren riesigen Rollkoffer verlädt. Und jetzt weiche ich einem Mann ohne Shirt aus, der, verstaubt, verdreckt und voller vertrocknetem Blut am Oberkörper, eine Passantin um Geld bittet. Diese schüttelt ihren Kopf mit einer Anteilnahmslosigkeit, als sei das noch das Harmloseste, was ihr bisher auf dem Weg zur Arbeit passiert ist.

Das Powerhouse Südostasiens: Konsum!

Bezeichnenderweise fängt die Ästhetik da an, wo der Reiz zum Konsum angeregt werden soll. Bei unserem Spaziergang durch das Golden Triangle, das den vornehmeren Bereich Kuala Lumpurs absteckt, werden die Malls plötzlich zu Sehenswürdigkeiten und jetzt wirkt das Szenario harmonisch für das Auge. Das Wort ‚Konsumtempel’ klingt so abgegriffen, doch welche Vokabel passt besser, fragen wir uns, als wir, flankiert von meterhohen Marmorsäulen, durch die hellen Gänge an Gucci und Fendi vorbeischlendern. Wir philosophieren darüber, warum die beeindruckendsten kontemporären Bauwerke ausschließlich zugunsten des Konsums erbaut werden, und sich so von den, dem Spirituellen gewidmeten, Tempeln und Pagoden unterscheiden, die so viele Einwohner KL’s regelmäßig aufsuchen. Den Konsumreiz können wir zwar noch unterdrücken, unterliegen aber der Verführung dieses Stadtteils und machen mehrere Fotos von den Petronas Towers, bleiben bis es dunkel wird, um uns die illuminierte Brunnen- Wassershow anzuschauen und lernen zwei Mädchen aus Kambodscha kennen, die uns ihre Visitenkarten geben. Beide arbeiten als ‚Sales Executive Officer’ bei einer Versicherung in Phnom Pen.

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Chow-Kit Markt

 Etwas bodenständiger geht es auf dem Chow-Kit Markt im Norden der Stadt zu. Nach einem anständigen Fußmarsch aus Chinatown, schieben wir uns durch die engen Gänge des mit Planen überdachten Marktes. Wir passieren jede Menge Obststände, kaufen und probieren Früchte, die wir nie vorher gesehen hatten und stellen fest, dass einige davon wirklich gut sind (Jackfrucht, Mangosteen, Dong Kong). Im hinteren Teil wird es gruselig. Dicht an Dicht stehen die Fleischverkäufer mit ihren Hackebeilen und durchtrennen auch die dicksten Knochen, indem sie wildentschlossen ihr Beil durch die toten Tiere auf die großen Holzbretter fallen lassen. Das Blut rinnt über die silbernen Stahltische Richtung Boden. An den Fischständen liegen die verschiedensten Arten, einige noch ziemlich lebendig und wild zappelnd. Beengend ist das Gefühl in den engen Gängen mit den tiefen Planen. Der Geruch, von beißendem Fischaroma dominiert, vermischt sich mit rohem Fleisch, exotischen Früchten und Gewürzen.

Fisch auf dem Chow Kit Markt

Chow Kit Markt

Chow Kit Markt kl2-4

Aylin hat sich mittlerweile ausgeklinkt. Während ich weitergehe fühle ich mich ein bisschen wie in einer Geisterbahn- ich komme an einem Mann vorbei, der die Schädel von Ziegen mit einer Bürste bearbeitet. Kurz darauf sehe ich einen beleibten Metzger, der unheimlich wirkt zwischen riesigen Kuhköpfen und auch noch dieses monotone dumpfe Lachen lacht, das man aus Geisterbahnen kennt. Ich kann mir in diesem Moment auch schwer vorstellen, wie jemand über den Markt schlendert und zu sich selbst sagt: „Mmmh eigentlich könnte ich mir mal wieder einen gebürsteten Ziegenkopf in die Suppe machen.“ Aber wir sind wieder um eine Erfahrung reicher und während wir nach Hause schlendern ist sogar mir zur Abwechslung mal nach einem vegetarischen Abendessen zumute.

Monkey Food an der Batu Cave

Zu den Batu-Höhlen, die außerhalb der Stadt liegen, nehmen wir die U-Bahn. „Indecent Behaviour“ ist laut des Warnhinweises in der U-Bahn verboten, also versuchen wir uns so anständig wie möglich zu verhalten. Die Batu-Höhlen sind riesige Kalksteinhöhlen, die mehreren Hindu Tempeln Raum bieten. Am meisten beeindruckt mich allerdings die Ansicht von außen: an den extrem steilen Treppen hätten Extremjogger ihre Freude und die 42 Meter hohe Goldstatue des Gottes Murugan sieht spektakulär aus. Der Aufstieg ist gesäumt von unzähligen Affen, die (zurecht) darauf spekulieren, dass die Besucher ihnen ein paar Erdnüsse (werden am Eingang als spezielles ‚Monkey Food’ verkauft) zuwerfen. Offensichtlich entdecken ein paar Besucher an diesem Tag ihre Affenphobie und haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Von Angst erfüllt kauern sie auf halben Weg zu den Batu-Höhlen, unfähig weder Ab- noch aufzusteigen, weil ein paar kleine Äffchen um sie herum springen- zugegebenermaßen ein unbezahlbarer Anblick. Einer Chinesin klaut ein Affe die XXL-Gummibärchentüte, die er direkt aufreißt und damit die neidischen anderen Affen und zig Touristen mit großen Spiegelreflexkameras anzieht.

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Kuala Lumpur ist die Stadt der vielen Gesichter, und von jedem geht eine besondere Faszination aus. Die wirtschaftliche Aufbruchstimmung ist deutlich spürbar und manchmal möchte ich am liebsten mein blaues Hemd bügeln, meine Bewerbungsmappe einreichen und mir die Luxusapartments im 28. Stock anschauen. Die Menschen interessieren sich für uns und wir verbringen kaum ein Mittagessen, wo wir nicht in ein Gespräch mit dem Tischnachbar verwickelt werden – anscheinend lieben die Menschen hier den Small Talk. Das geht soweit, dass sich am Bahnsteig folgender Dialog zuträgt:

„Where are you from?“

„Germany.“

„How is the weather over there?“

„Mmh, pretty bad.“

„Okay, bye.“

Der Rezeptionist in unserem Hotel ist ständig übermüdet, treffen wir ihn doch immer morgens an, während er auf die Ablösung seiner Nachtschicht wartet, die, wie er sagt, ständig zu spät kommt. Dennoch füttert er uns mit Infos rund um die Stadt, und freut sich, wenn wir ihm am Abend Fotos aus seinem Kuala Lumpur zeigen. Komischerweise vergisst er sehr viel sehr schnell und stellt Rückfragen, bei denen man sich nie sicher ist, ob das nun ein Scherz oder tatsächlich ernst gemeint ist. Aylin kehrt eines Morgens 10 Minuten nachdem wir intensiv mit ihm gesprochen hatten in das Hostel zurück, weil wir etwas vergessen hatten, und er fragt. „Do you stay in this Hostel? Room Number?“. Eines Morgens verspricht er uns ein gratis Frühstück, weil wir länger bleiben als gewöhnlich. Wir ahnen es bereits als wir am nächsten Morgen voller Vorfreude auf das Gratisfrühstück die Treppe herabsteigen, und werden nicht enttäuscht:

„Good Morning. Breakfast is 2 Ringgit“

„I thought it was free for us today”.

„Oh then it’s 1 Ringgit”.

„But you promised a free breakfast.”

„Mmh, okay, then it’s free”.

Gleichmäßig kratzt er eine sehr kleine Menge Marmelade auf die sehr große Toastbrotscheibe und murmelt wieder etwas von der langen Nachtschicht. Wir schließen ihn ins Herz und bringen ihm am Abend eine Jackfruit mit. Seine Antwort: „Ah you stay in this hostel, right…?“

Verbotsschild in Kuala Lumpur

Kategorie: Asien, Malaysia

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Stefan ist ein echter Travel Enthusiast! Sprachen und Reisen sind seine Leidenschaft. Darum hat er auch Englisch und Spanisch studiert. Seit der Weltreise krempelt er seine Karriere gerade komplett um. Seine Lieblingsthemen: das Unbekannte und Outdoorabenteuer.

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