Australien, Weltweit
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This is Hipster territory!

Melbourne ist voller Hipster. Vor allem der Stadtteil Fitzroy. Richtige Musterexemplare, geschmückt nach allen Regeln der Kunst stellen sich hier aus. Sind Hipster überhaupt noch angesagt? Sicher, denke ich und nehme noch einen Schluck: Wer sonst käme auf die Idee einen Gin aus Tasmanian Pepperberry Leafs und Grains of Paradise herzustellen?


Mich überrascht, wie hartnäckig sich das ganze Hipster-Ding hält, denn ich selbst wusste nie wirklich etwas damit anzufangen. Auf mich wirkt die Szene wenig aussagekräftig. Trotzdem bin ich oft angetan von der zugehörigen Ästhetik. Vom Unterarmtatoo, dem feinen Cortado, den Vollbärten. Das sieht immer klasse aus. Zugegebenermaßen haben sich auch gewisse Hipster-Errungenschaften in meinen Alltag eingeschlichen, fast nebenbei. Zum Burger lasse ich beispielsweise die heiß geliebte Cola des Öfteren zugunsten einer regional produzierten Saftschorle im Kühlschrank. So Dinge eben.

Fitzroy, Melbourne Hipster pride

Fitzroy, Melbourne: Hier wohnt er, der Hipster.

Ich fürchte, mehr hat die Hipster-Bewegung auch nicht anzubieten, abseits von Ästhetik und optischer Angleichung. Die strengen Scheitel und die bis oben hin zugeknöpften Hemden kommen ohne Botschaft daher. Nun hängt das Fahrrad eben an der Wohnzimmerwand und steht nicht mehr im Keller. Wenn das wirklich eine Subkultur sein will, fehlt die Ideologie hinter der sich die Angehörigen versammeln können: Die Rebellion, die Auflehnung, eine gemeinsame Vision für eine bessere Welt.

Neulich habe ich gelesen, dass Hipster sich bewusst anders verhalten, um ihrer Konsumkritik Ausdruck zu verleihen. Also beispielsweise eine alte Schreibmaschine statt Laptop verwenden oder gewisse Gegenstände gleich komplett selber anfertigen. Das fand ich paradox und daher auch arg lächerlich. Die Szene nährt sich doch gerade über die so eng mit ihr verknüpften Produkte: Die Fixies, das Bartöl, die Süßkartoffelpommes, die Hosenträger – eine endlose Liste.

Fitzroy Melbourne

Fitzroy: Aus der Innenstadt von Melbourne läuft man in 30 Minuten hin.

Fitzroy, Melbourne: Hipster Pride!

Doch so hart wollte ich gar nicht mit den Melbourne-Hipstern ins Gericht gehen. Im Prinzip waren das Alltagsgedanken, die mir beim Flanieren über die Brunswick-Street in Fitzroy durch den Kopf gingen.

Eins hatte ich dabei vergessen: Es gibt einen Bereich, den „die Hipster“ mit Sicherheit komplett aufgewühlt haben, mit sehenswerten Ergebnissen: die Gastronomie. Die kreativen Foodtrucks, die neue Zuneigung zu regionalen Bio-Zutaten und letztlich der Gedanke, bekannte Gerichte modern zu interpretieren, sind doch ganz erfreuliche Entwicklungen.

Manche finden, dass es zu weit gehe mit dem gastronomischen Ehrgeiz. Im Prenzlauer Berg hätten die Eisdielen nicht mehr Schoko, Vanille und Erdbeere im Angebot, sondern nur noch prätentiöse Mischungen mit Ingwer oder Rosmarin (hier gibt’s eine Top-Ten Liste mit den skurrilsten Hipster-Eissorten). Darüber darf man gerne schmunzeln, man muss das hippe Gehabe auch nicht gut finden, trotzdem wirkt so eine Aussage auf mich schauderhaft reaktionär. Denjenigen zu kritisieren, der progressiv denkt, der Bestehendes hinterfragt und verbessern möchte, das kommt nie gut.

Naked for Satan

Im Naked for Satan Restaurant kann man sich leckere baskische Pintxos zusammenstellen.

Brunswick street fitzroy

Die Brunswick-Street in Fitzroy: Cafés, Geschäfte und ein veganer Schuhladen.

Und außerdem: Wenn man dieses ganze Gehabe eher als Trend sieht und weniger als ernsthaft motivierte Subkultur, fängt es plötzlich an Spaß zu machen. Allein schon, weil man in Fitzroy wirklich ein paar Läden entdecken kann, die es nicht auf jeder beliebigen Einkaufsmeile der Welt gibt.

Ich schaue mir ein paar abgedrehte Klamottengeschäfte an, drehe eine Runde durch eine moderne Kunstgalerie und trinke im Café Umago den obligatorischen Cortado. Der Blick geht durch die Scheibe nach draußen: Die Leute wirken so freundlich und offen. Darauf kommt es an, denke ich. Das muss einfach passen, damit ich mich irgendwo wohl fühle und das tue ich in diesem Moment. Das es inzwischen selbst vegane Schuhgeschäfte gibt, lerne ich auch erst in Fitzroy. Mein Fazit beim letzten Schluck: Ich wünschte, ich hätte anstelle der unsäglichen Bierkneipen auch so ein Hipster-Café in meiner Nachbarschaft. Ich wäre sicher Stammgast.

Gin Tasting: Frühschoppen für Hipster

Nicht mehr in Fitzroy, sondern in Healesville nahe Melbourne schlägt der Hipsterradar nochmal voll aus. Wir stehen zur Mittagszeit in einer Schlange vor einem rustikalen Containergebäude. Der Schriftzug Four Pillars ist außen angeschlagen. Drinnen destillieren sie nicht nur den begehrten Wacholderbranntwein, sie schenken ihn auch aus. Die Tastings sind so angesagt, dass es lange Wartezeiten gibt.

Four Pillars Gin

Four Pillars Gin-Distillerie: Schlange stehen vor dem Hipster-Tempel

Im Saal ist es laut. Muss ja auch: Hier sitzen ausschließlich Menschen, die schon Gin getrunken haben, manche haben mehrere leere Gläser vor sich. Ein Hipster-Tempel mit all seinen Insignien: ein Bartender mit Schnurrbart, Menschen in Hochwasserhosen, an den Wänden die unverputzten Heizungsrohre. Die gesamte Einrichtung wirkt bewusst karg, ein nahezu leeres Fabrikgebäude mit dekorativen Elementen an den richtigen Stellen.

Der Blick in die heiligen Hallen von Four Pillars Gin.

Uns werden Holzbretter gereicht, auf denen mehrere Gläser Gin in den runden Aussparungen stehen. In jedem Glas ist ein Zusatz, der den angestrebten Charakter der Sorte hervorbringen soll: Rosmarin, Orange, Nelken. Ich lese die Beschreibung der ersten Sorte:

„First, we took our base botanicals and upped the amount of Tasmanian pepperberry leaf and cinnamon. Then we added an exotic West African spice called Grains of Paradise. This is one of the most unusual spices in the world, with clove and sichuan characters.“

Wow. Tasmanian pepperberry leaf. Grains of Paradise. Das schmeckt schon bevor ich überhaupt probiert habe. Die Beschreibung geht noch ein paar fruchtige Absätze so weiter. Als ich das Glas zum Mund führe, sind die Erwartungen hoch und ich längst so programmiert, dass mir jedes einzelne Paradieskorn auf der Zunge zergeht.

Vernebelte Sinne?

Mir wird klar: Wir probieren zwar Gin, bekommen aber vor allem eine Lehrstunde in Vermarktung. Das ganze Konzept der Jungs von Four Pillars ist wie aus einem Guss. Von der Location im Industrial-Style, über das Design der Flaschen, bis hin zum Aussehen der Mitarbeiter. Das ganze Produkt umweht ein Lifestyle-Faktor, den man sich wohl mit einem beherzten Schluck Gin gleich mit einzuverleiben sucht.

Abschließender Gedanke zur Hipster-Thematik: Es ist wohl vor allem ein funktionierendes Geschäft zur Zeit. Eine dekorative Bühne, auf der sich ein herkömmliches Produkt zu einem Must-Have verwandeln lässt.

Es werden derzeit Optionen geprüft, den guten Gin auch nach Deutschland zu exportieren, erzählt man uns. Ob er daheim immer noch so gut schmeckt?

Lies hier mehr aus Australien: Nach meinem Aufenthalt in Melbourne ging es für mich in den Wilson’s Promontory Nationalpark. Hier fand ich Natur, so perfekt wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte!

Disclaimer: Ich habe kein Geld von Four Pillars Gin bekommen, ich berichte nur über den Laden, weil er mich so beeindruckt hat. Ich wurde auf die Reise nach Melbourne und Umgebung von Qatar Airways und Visit Melbourne eingeladen. Vielen Dank für die hervorragend organisierte Tour!

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Stefan ist ein echter Travel Enthusiast! Sprachen und Reisen sind seine Leidenschaft. Darum hat er auch Englisch und Spanisch studiert. Seit der Weltreise krempelt er seine Karriere gerade komplett um. Seine Lieblingsthemen: das Unbekannte und Outdoorabenteuer.

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