Wer eine einjährige Weltreise macht muss unheimlich viel planen. Er muss seine Ausrüstung äußerst akribisch zusammenstellen und nimmt Dinge mit, deren Existenz mir zwar bewusst war, ich aber dennoch keine Veranlassung gesehen habe sie zu verwenden.
Zum Beispiel einen Kompass. Oder ein Moskitonetz. Unter Berücksichtigung meteorologischer, politischer und kultureller Begebenheiten erarbeitet er sich seine Reiseroute. Er klappert sämtliche Botschaften ab und sammelt Visa aus Ländern ein, von denen mancher nicht einmal weiß, dass es sie gibt. Er weiß, in welchen Situationen man der örtlichen Autorität einen Geldschein in die Hemdtasche stecken muss, damit sich plötzlich Tür und Tor für ihn öffnen. Und er muss ein Survival Profi sein. Einer, der aus dem Nichts ein Lagerfeuer entfachen und mit der bloßen Hand Fische aus dem tosenden Bach fangen kann. Um geschmeidig durch die Welt zu reisen, liest er vorher, welche Auswirkung die Militärdiktatur in Myanmar auf das kulturelle Gedächtnis der Bevölkerung hat und ob man in Lima geeignete Kontaktlinsen kaufen kann, auch wenn man eine Hornhautverkrümmung hat. Er weiß, in welchem Viertel von Bogotá man nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht unterwegs sein sollte. Nein, er weiß sogar in welchem Viertel von Bogotá man auch vor Einbruch der Dunkelheit nicht unterwegs sein sollte.
„Das dachte ich immer.
Jetzt wo wir kurz vor der Reise stehen kommt mir das kaum anders vor, als 3 Wochen zu verreisen. Nur länger. Und mit mehreren Ländern. Und mit Job kündigen.“
Natürlich mussten wir uns einen Zwischenmieter suchen, uns gegen alles Mögliche impfen lassen und uns festes Schuhwerk besorgen. Das war aber kein Hexenwerk bis jetzt. Es ist interessant zu sehen wie greifbar und erreichbar ein Ziel erscheint, wenn man einmal den ersten Schritt getan hat. Wir stellen fest, dass wir uns selbst öfter gegenseitig fragen, ob wir nicht noch irgendetwas vergessen haben. Das ultimative Hindernis, das alle Anderen davon abhält, es uns gleichzutun. Bis jetzt ist es noch nicht aufgetaucht. Andere Weltreisende haben festgestellt, dass die Rechnung erst danach kommt: Pläne schmieden und die Organisation sind nicht das Schwierige. Schon gar nicht die Weltreise selbst. Schwierig ist das Zurückkommen. Das sich Wiedereingliedern, wie es unschön heißt. Dennoch scheinen die gebrachten Opfer überschaubar, wenn man einmal den Ertrag gegenüberstellt.
Warum machen wir eigentlich eine Weltreise?
Ich liebe fremde Sprachen, Kulturen und Menschen. Ich liebe das Abenteuer und das Unvorhersehbare. Das Fernweh hat mich schon immer begleitet und ich liebe das Gefühl von Aufbruch. Als ganz kleiner Junge bin ich manchmal einfach losgelaufen und soweit gekommen, bis mich ein paar hundert Meter weiter besorgte Nachbarn oder Familienangehörige, in der Erleichterung darüber, dass sie mich wieder gefunden hatten, am Arm packten.
Das Reisen hat seitdem eine spezielle Wirkung auf mich gehabt. Am meisten hat mir immer gefallen, dass das Erlebte mich stets auf eine angenehme Art begleitet, und aus vielen Reisen bin ich auf verschiedene Weisen bereichert zurückgekehrt. Ich glaube nicht, dass es Zufall war, dass sich manche positive Veränderungen in meinem Leben oft nach dem Reisen ergeben haben.
Unsere Weltreise ist daher konsequent und plötzlich fühlt es sich so an, als hätten wir die letzten Jahre unbewusst darauf hingearbeitet. Während ich überlege, welche Gründe noch ein derartiges Vorhaben rechtfertigen, fällt mir auf, dass ich vor mir selbst eher dann in Erklärungsnot geraten würde, wenn wir es nicht machen würden. Man bereut retrospektiv eher, dass man etwas gar nicht gewagt hat, als etwas, das man zwar umgesetzt hat und dieses Vorhaben nicht so gelaufen ist wie erhofft.
„Es sind nicht Dinge, die es Wert sind zu sammeln, sondern Momente.“
Ein Wissenschaftler, der sich mit Glück beschäftigt, hat es neulich im Fernsehen so ausgedrückt: wer sich ein neues Auto kauft ist am Anfang glücklich darüber, doch fortan wird das Glücksgefühl immer kleiner, denn das Auto wird älter, verliert an Wert und kriegt Gebrauchsspuren. Womöglich muss man mit der Zeit noch Geld in Reparaturen investieren. So kann sich das Glücksgefühl langsam ins Negative umkehren, da man praktisch beim Wertverlust des Gegenstands zusehen kann. Wer hingegen in eine Reise investiert, der sieht das Glück wachsen, denn wenn die Reise vorbei ist, bleibt die glückliche Erinnerung daran zurück. Und das Glück wächst sogar mit der Zeit, da unser Gehirn so beschaffen ist, dass die positiven Dinge in der Erinnerung verstärkt werden, während die Negativen immer mehr verblassen.
Die kleinen Geschichten am Rande
Auf dem Weg in den Norden Thailands sind wir im Winter 2010 um halb 5 Uhr morgens mit dem Zug in Phitsanulok angekommen. Die Stadt wirkte friedlich und es waren kaum Menschen auf der Straße. Wir hatten Hunger, aber rechneten uns kaum noch Chancen auf etwas Vernünftiges zu Essen aus. Bis wir an einem Stand vorbeiliefen, wo zumindest zwei große Kochtöpfe zu sehen waren. Dazu ein alter Mann, der gerade am aufräumen war. Nachdem wir vorsichtig fragten, ob wir noch Chancen hätten, irgendetwas Essbares zu bekommen, verschwand er. Nachdem er zurückkam, schmiss er das Feuer nochmal an, rührte den Inhalt seiner enormen Kochtöpfe und zeigte uns ein kleines Heft. Es war sein Vokabelheft und er fing an alle Inhalte der Suppe, sowie die Saucen, die auf den 2 extrem niedrigen Plastiktischen, standen für uns auf Englisch zu übersetzen. Er hatte sich die englischen Wörter so in sein Heft geschrieben wie er sie aussprechen muss. NAIF für knife. Sein Engagement war beeindruckend. Es dauerte Minuten bis uns die Zutaten im Kochtopf ausgingen, die er uns übersetzte. Dann verschwand er ein zweites Mal und als er mit kleinen schnellen Schritten zurückkam, sah man von weitem, dass er in jeder Hand ein Glas Trinkwasser für uns hielt. Um zu zeigen, dass seine Suppe scharf war, stellte er pantomimisch dar, wie er nach deren Verzehr Feuer spucken kann. Wir probierten, deuteten an, dass wir mehr als begeistert von dem Essen waren und waren uns einig, dass ein Empfang in einer fremden Stadt nicht herzlicher hätte sein können.
Ich freue mich auch wenn die Kommunikation holprig wird, weil sich zwei Menschen auf Englisch unterhalten, die unterschiedliche Muttersprachen haben und sowieso aus unterschiedlichsten kulturellen Kontexten kommen: 2008 an der Uni in Mexiko hatte ich mich ein paar Mal mit einem japanischen Austauschstudent unterhalten. Ich weiß noch, wie er mich eines Tages zwischen den hohen, engen Bücherregalen der Bibliothek erblickte, etwas nervös auf mich zukam und mit leisen Worten sagte: „I’m interested in you as a friend.“ Eine analoge, verbale Freundschaftsanfrage hatte ich vorher noch nie erhalten. Aber irgendwie fühlte es sich so an, als müsste ich in aller Formalität antworten. Ich fühlte mich dazu ermächtigt mich jetzt besonders aufrecht hinzustellen und sowas zu sagen wie: „I gladly accept your request“ oder „I hereby declare us to be friends“.
Ich glaube, dass die Welt eine Menge dieser trivialen, aber bemerkenswerten Begegnungen für uns bereithält. Während wir also die Strände, Dschungel, Berge und Städte dieser Welt bereisen, werden wir mit Sicherheit in die ein- oder andere kuriose und erzählenswerte Situation geraten – und sie in diesem Blog festhalten.
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Vielen Dank für die netten Feedbacks! Wir sind jetzt seit ’nem halben Jahr unterwegs und es macht immer noch genauso viel Spaß wie am Anfang. Wir sind schon um eine Menge Erfahrungen reicher, zum Glück überwiegend schöne 😉
Was fuer ein wundervoller Artikel! Ich habe Traenen in den Augen von der Geschichte in Thailand, weil ich selbst schon so viele dieser Momente beim Reisen erleben durfte und es mich daran erinnert hat, warum wir reisen. Und der Schreibstil gefaellt mir richtig, richtig gut!
LG, Viola
Ich wünsche Euch, das Ihr viele viele wunderschöne Orte sehen werdet! LG Aylin 😉 (AviationPower)
Ich bin so neugierig auf das alles was ihr erleben werdet. Passt gut auf Euch auf!
Jetzt gehts los!!
Viele neue Erfahrungen (kommen von ganz alleine) und möglichst wenige „deutsche-Rentner-Bus-oder-Kreuzfahrt-Touristen-Rudel“(kommen leider meist auch von alleine…)
wenn ich euren blog richtig deute, müsst ihr nicht mal reisen, um glücklich zu werden – ihr seit es schon! was ihr nicht im herzen hast, findet ihr auch nicht unterwegs – aber da ihr ein offenes herz hast, seht ihr schöne dinge überall! in diesem Sinne: auf tolle eindrücke und viele kleindetails, deren wahre größe euch niemals verbergen bleiben mögen!
Ich bin schon mächtig gespannt, was ihr alles so erleben werdet.
na dann: auf tolle neue Erfahrungen!
Ein super schöner Auftakt! Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute! Kay