Zweieinhalb Tage, fünf Spitzenrestaurants der Initiative Westfälisch Genießen, sechs Reiseblogger: Das sind die Eckdaten unserer Genusstour durch Westfalen. Wir entdecken Restaurants, die auf Sterneniveau kochen, Kräuter, von denen ich noch nie gehört habe und vor allem Charakterköpfe, die ihren Beruf und ihre Heimat lieben.
Im Kräuterparadies von Silvio Eberlein
Der Auftakt unserer Genussreise beginnt im Gasthof Buschkamp, wo sich Chefkoch Silvio Eberlein sein eigenes kulinarisches Reich geschaffen hat. Während wir durch seinen Kräutergarten gehen, erzählt er begeistert vom Reinfarn, Olivenkraut und seinen essbaren Duftgeranien. Kräuter, von denen ich noch nie gehört habe, die aber faszinierend riechen und schmecken.
Eberlein ist Teil der Slow Food Bewegung, die für nachhaltigen, regionalen Konsum steht. Zudem werden der Genuss und die Kultur des Essens in den Vordergrund gestellt- quasi die Gegenbewegung zu Fast Food.
„Brot ist Chefsache“ sagt Eberlein und reicht mir ein noch lauwarmes Stück Schmalzbrot. Wir stehen in der historischen Backstube, es duftet nach frischem Brot und ist urgemütlich in diesem kleinen Fachwerkhaus. Im Lehmofen werden Brot, Kuchen aber auch Spanferkel oder Krustenbraten gebacken.
Regional & kreativ
Eberlein kreiert regionale Gerichte mit einem überraschenden Twist. Dafür verarbeitet er vor allem ungewöhnliche Kräuter aus seinem eigenen Garten. Viele der Kräuter habe ich zuvor noch nie geschmeckt, weil sie bereits in Vergessenheit geraten sind.
Einzelne Gebäude des Museumshof Senne Bielefeld stammen bereits aus dem Jahre 1607, die originalgetreue Einrichtung verströmt eine wohlige Atmosphäre. Die Speisen hingegen sind modern angehaucht und durch die vielen frischen Kräuter sehr raffiniert. Seht selbst:
Adresse: Museumshof Senne
Buschkampstrasse 75
33659 Bielefeld
Tel.: 0521 492800
Fax: 0521 493388
E-Mail: info@museumshof-senne.de
Besonderheiten: Hofladen, Brot aus eigener Herstellung, Kräutergarten.
Website: https://museumshof-senne.de/
Schlendern & schlemmen in Warendorf
Gerhard Leve, vornehm und traditionsbewusst, begrüßt uns im Hotel im Engel, das bereits seit 1692 im Besitz der Familie Leve ist. Mit den Jahren hat sich das Konzept des Hotels stets weiterentwickelt- wo früher eine Brauerei war, befindet sich nun einer der besten Weinkeller Deutschlands. Rund 900 Weine bietet Sommelier Leve seinen Gästen.
Wir nächtigen aber nicht nur im Engel, wir entdecken vorher Warendorf auf einer kulinarischen Schlendertour.
Werner Stock, voller Schnauzbart und herzliches Lachen, scheint in Warendorf seinen Seelenort gefunden zu haben. Schon während seiner Dienstzeit bei der Polizei fuhren er und seine Frau regelmäßig nach Warendorf, um Urlaub zu machen. Es gefiel ihnen so sehr, dass Warendorf seit über neun Jahren nun ihre Wahlheimat ist. Warendorf ist eine Kleinstadt mit rund 38.000 Einwohnern, früher handelte man hier mit Stoffen und produzierte Leinen. Heute ist Warendorf vor allem für sein Pferdegestüt bekannt.
Warendorf bei Nacht
Stock führt uns durch das nächtliche Warendorf, vorbei an schmucken Fachwerkhäusern und durch schmale Gassen. Die Abendruhe wird von Klaus Wiese untermalt, der unsere Stadtführung musikalisch begleitet. Im Engelchen dinieren wir, Sommelier Leve reicht feine Weine und überrascht mit einem musikalischen Talent: er spielt Akkordeon. Das Herren-Trio stimmt ein paar Liedchen an und so klingt unsere Warendorfer Schlendertour genüsslich aus.
Hotel im Engel
Brünebrede 33-37
48231 Warendorf
Telefon: (0 25 81) 93 02-0
E-Mail: info@hotel-im-engel.de
Besonderheiten: Weinboutique, 4-Sterne-Hotel, diverse Veranstaltungen wie die Schlendertour
Schlendertour: 59,00 Euro pro Person (inkl. 4-Gänge-Menü, Weinproben und Führung)
Hotel: Doppelzimmer ab 105,00 Euro inkl. Frühstück
Website Hotel im Engel
Auf ein Töttchen in der Domschenke Billerbeck
Manchmal muss man gar nicht weit fahren, um etwas Neues kennenzulernen: Die regionale Küche Westfalens ist für mich eine neue Entdeckung. Chefkoch Frank Groll sendet uns hier einen schmackhaften Gruss aus der Küche: Töttchen. Was früher ein Arme-Leute-Essen war, ist in der Domschenke in abgwandelter Form mit Kalbsfleisch eine Delikatesse.
Groll war nach seiner Ausbildung rund zehn Jahre in den Küchen der Welt unterwegs, unter anderem im französischen Elsass und New York. Doch seine westfälischen Wurzeln brachten ihn zurück nach Billerbeck. Groll gibt nun auch zurück und bildet regelmäßig aus. 2017 gewann der Nachwuchskoch aus der Domschenke, Christoph Tastove, den ersten Platz der Westfalen-Meisterschaft des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Den vierten Platz belegte mit Joline Lütgen ebenfalls eine Auszubildende aus der Domschenke. Groll engagiert sich auch für die Integration von Zugewanderten: der junge Mudasair Asadkhel aus Pakistan absolviert ebenfalls eine Kochausbildung bei Frank Groll.
In der Domschenke wechselt die Karte häufig- neben den westfälischen Klassikern kocht Groll moderne, ambitionierte Gerichte. Woher nimmt er seine Inspiration?
„Vor allem aus der Ware. Ich lege Wert auf regionale Produkte- sie inspirieren mich zu neuen Gerichten.“
Westfälisch genießen bedeutet für ihn vor allem traditionelle Gerichte mit regionalen Zutaten zuzubereiten. Trotz der vielen Auszeichnungen, die er bereits erhalten hat, ist Groll bodenständig. Auch das ist typisch westfälisch.
Restaurant-Hotel Domschenke
Markt 6, 48727 Billerbeck
Telefon: 02543/9320-0
domschenke@t-online.de
Besonderheiten: Hotel, individuelle Arrangements wie Pättkestour (Radtour) möglich
Kosten Hotel: Doppelzimmer ab 85 Euro inkl. Frühstück
Website Domschenke Billerbeck
Molekularküche im Hof Schlichte
Bernhard Kampmann ist ein echter Macher: mit nur 23 Jahren gründete er 1991 den Schlichte Hof. Der denkmalgeschütze Fachwerkhof aus dem Jahre 1492 wurde damals von Grund auf renoviert- wo früher Heu lagerte und Pferde standen, diniert man heute an elegant eingedeckten Tischen unter altehrwürdigen Holzbalken. Auch Kampmann verbrachte einige Jahre im Ausland. Stationen in der Schweiz und den USA prägten den Meisterkoch, der 1984 als bester Kochazubi Bielefelds seine Lehre beendete.
Die Produkte, die Kampmann verwendet, stammen aus der Region, sind häufig bio und werden von ihm kreativ zubereitet. Das wissen auch Prominente zu schätzen: Kampmann bewirtete bereits Johannes Rau, Günther Jauch oder Mika Häkkinen.
Schlichte Hof • Restaurant • Hotel • Catering
Osnabrückerstraße 100, 33649 Bielefeld
Website Hof Schlichte
Hochprozentige Exzellenz auf dem Hof Schulze Roetering
Das Alkohol eine Wissenschaft ist, beweist Martin Schulze Roetering. Der Landwirt und Brennmeister hat bereits während seiner Meisterausbildung daran geglaubt, dass für einen hervorragenden Brand eine ganz besondere Verfahrensweise notwendig ist. Die Brennerei ist bereits seit 250 Jahren in Betrieb, doch erst vor vier Jahren investierte Schulze Roetering in eine handgefertigte Brennanlage.
„Wir hatten noch Proben von meinem Urgroßvater, die schickten wir ins Labor.“ Heraus kam, dass das Grundwasser in Ahlen besonders mild ist und die Brände seiner Vorfahren einen geringen Methanolgehalt hatten. Methanol, das ist der Alkohol, der in zu hohen Dosen blind machen kann und Spirituosen so scharf schmecken lässt. Der Richtwert beträgt 30 mg/ Liter. Die Destillate von Schulze Roetering enthalten dank der traditionellen Verfahrensweise nur 3,3 mg/ Liter. „Das schmeckt man!“ sagt der 54-jährige zufrieden.
Den Eingang der Brennerei zieren diverse Urkunden- zuletzt gewann die Hofbrennerei beim World Spirit Award 2018 acht Gold-, drei Silber- und eine Bronzemedaille.
„Unsere Brände werden nie ein Massenprodukt werden. Das können und wollen wir nicht bedienen. Hier ist alles Handarbeit- vom Weizenanbau bis hin zur Destillation.“
Das merkt und schmeckt man!
Hof Schulze Rötering
Prozessionsweg 115, 59227 Ahlen
Besonderheiten: Backstube, Traktortouren, Brennereibesichtigung, Hofladen
Event-Highlights: Hoffest an Pfingsten und Weihnachtsmarkt am dritten Advent
Kosten: Traktortour ab 60 Euro (2 Stunden)
Website Hof Schulze Roetering
Westfalen: bodenständig, nachhaltig & mit Herz
Neben den vielen Kalorien nehme ich vor allem eines von dieser Reise: Begeisterung für die Westfalen! Die Menschen sind großartige, leidenschaftliche Profis ihrer Zunft. Die Hoteliers, Chefköche und Hofbetreiber sind tief mit ihrer Region und den Traditionen verbunden. Doch das hindert sie nicht daran, kreativ und modern ihre Produkte weiterzuentwickeln.
In Zeiten des Massenkonsums und der Vereinheitlichung der Innenstädte durch Ketten und Konzerne ist es erfrischend, so viele passionierte Charakterköpfe zu sehen. Sie folgen ihrer Berufung und schaffen etwas einmaliges: die Verbindung von Tradition und Moderne. Authentisch, nachhaltig und das Beste: Von Bremen aus direkt um die Ecke!
Westfälisch geniessen: Praktische Tipps
Du möchtest Westfalen ebenfalls kulinarisch erkunden? Hier findest Du gesammelt alle Adressen und weiterführende hilfreiche Infos rund um die Region zwischen Bielefeld und Münster.
Übernachtungstipp: Gut Kump
Herrschaftlich übernachtet man auf dem Gut Kump. Die Zimmer im Herrenhaus sind liebevoll und detailreich eingerichtet. Das Restaurant serviert gehobene Küche. Das Gut Kump befindet sich ruhig gelegen in der Natur, der ideale Ort um vom Alltag abzuschalten.
Veranstaltungstipp: Im Frühling findet die Landpartie statt- ein Tag zum Erleben und Entdecken (Ticket ab 10,00 Euro/ Erwachsene). Auch für die Kleinen wird viel geboten an diesem Tag: Eltern können sich entspannen, denn sogar die Kinderbetreuung ist im Ticketpreis enthalten.
Gut Kump
Kumper Landstraße 5
59069 Hamm-Kump
Kosten Doppelzimmer: ab 129,00 Euro/ Nacht inkl. Frühstück
Website Gut Kump
Website Landpartie auf dem Gut Kump
Anreise
Bielefeld, Warendorf, Billerbeck und Münster sind bequem mit der Deutschen Bahn erreichbar. Die Höfe liegen außerhalb der Zentren, so dass man mit dem Auto anreisen muss. Noch schöner ist es mit dem Fahrrad anzureisen: der Werse Rad Weg führt direkt an Ahlen vorbei!
Aktivitäten in Westfalen
- Für Radfahrer bietet Westfalen eine Menge: Münster ist ohnehin eine Fahrradstadt. Der Werse Rad Weg sowie der Ems Radweg laden zu mehrtägigen Radtouren ein.
- Auch Schlossliebhaber kommen bei der 100 Schlösser Route voll auf ihre Kosten.
- Münster ist eine hübsche, kleine Stadt, die dank der vielen Studierenden einen sehr jungen Charme hat. Ideal für einen Wochenendausflug also.
- Mehr Infos rund um das Münsterland findest Du bei Münsterland Tourismus.
- Alle Restaurants, die das Siegel „Westfälisch Genießen“ tragen, findest Du auf der Website von Westfälisch Genießen. Auch Rezepte zum Nachkochen gibt es auf der Seite.
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