Im Dickicht des Andasibe-Nationalparks suchen wir nach Madagaskars berühmtesten Einwohnern: den Lemuren. Wir werden fündig und erleben etwas ganz Besonderes im Wald.
Welcome to the jungle!
Die Grace Lodge bei Andasibe können nur Ortskundige finden. Besonders jetzt, da es schon dunkel wird, obwohl die Digitaluhr unseres Wagens gerade mal 18 Uhr anzeigt. Es gibt zwar ein Schild am Rand der Route Nationale 2, die wir auf unserem Roadtrip durch Madagaskar als Erstes ansteuern, doch das ist kaum erkennbar. Erstens ist die Aufschrift von der Sonne verblichen, und zweitens ist es nahezu komplett von Palmenblättern verdeckt.
Doch selbst wenn man ihm folgt, bleibt die Unterkunft lange verborgen. Wir winden uns ab hier eine Straße hinab, die dieser Bezeichnung kaum gerecht wird. Wir nähern uns langsam den unumfahrbaren Schlaglöchern, um dann einen halben Meter in ihnen abzusinken. Am Ende des Weges tut sich jedoch eine neue Welt auf.
Mehrere kleine Bungalows verteilen sich großflächig über die gepflegte Anlage. Drumherum kommt, soweit ich das in der Dunkelheit ausmachen kann, erstmal lange gar nichts. Gärtner rechen Laub zusammen, ein Pool plätschert sanft vor dem Haupthaus. Nur das Gezwitscher der Vögel mischt sich hier noch in die sanfte Stille. Welch‘ Kontrast zum hektischen Getümmel oben an der RN2, wo wir unseren Weg hupend durch den von Menschen gesäumten Stadtbereich bahnen mussten.
Jetzt also sind wir mittendrin in „der Natur„, was dem Touristen aus der Stadt oft schon Abenteuer genug ist. Weil es vorkommt, dass mal ein Gecko durch das Zimmer huscht oder, Gott bewahre, plötzlich ein Moskito auf dem Armrücken sitzt. So sitzen wir mit ein paar anderen Reisenden im stechenden Dampf der Mückensprays im kleinen Speisesaal beim Abendessen zusammen. Und während wir noch einen Vanillepudding zum Nachtisch auslöffeln, formuliert der Guide des Nachbartisches ehrgeizige Ziele für den morgigen Tag:
„Our main goal tomorrow is to see the Indri Indri!“
Klare Worte. Aber genau diese Ansprache wollen die Leute hören. Deshalb waren sie schließlich alle gekommen. Deshalb hatten sie rechtzeitig ihre Urlaubsanträge eingereicht, die Reiseapotheke aufgestockt und das Zoomobjektiv besorgt: Madagaskars wohl berühmteste Einwohner sollen im nahegelegenen Andasibe Nationalpark aufgespürt werden: die Lemuren. Im Idealfall natürlich auch der große Indri Indri, mit seinem schwarz-weißen Fell und den weit aufgerissenen Augen.
3 Personen – 1 Team – 1 Ziel
Am nächsten Morgen, ganz früh um 7:30, wird es dann real. In Kleingruppen schwärmen wir aus. Unser kleines Team besteht aus Patrice, Aylin und mir. Patrice ist seit zehn Jahren Guide in diesen Wäldern. Diese Routine, soviel sei vorweg genommen, wird sich an diesem sonnig frischen Wintertag noch bezahlt machen.
Wir laufen also in unserer 3er Gruppe die schmalen Waldpfade entlang. Patrice vorne, ich in der Mitte und Aylin hinten. Diese Konstellation ergibt sich oft automatisch, da ich als Bindeglied gefragt bin. Als Mittler, der die Bedürfnisse aller Teammitglieder zu jonglieren versucht: Patrice bitte ich immer wieder, langsamer zu gehen, da Aylin viel fotografiert. Zu Aylin sage ich, sie muss jetzt mal einen Zahn zulegen, da uns sonst der Guide enteilt.
Ansonsten richtet sich mein Blick überwiegend nach oben in die Baumkronen, wo sich die Lemuren am liebsten aufhalten. Schnell fahren wir erste Erfolgserlebnisse ein: wir erwischen eine Familie von braunen Lemuren beim morgendlichen Schwung durchs geäst. Während wir fotografieren geht Patrice schon mal vor. Er will jetzt mehr. Niemand geringeren als den Indri Indri vermutet er in unmittelbarer Nähe. Täuschend ähnlich imitiert er immer wieder seinen Ruf um ihn anzulocken. Dann: Das laute Heulen der Indris schallt durch den Wald, ehrfürchtig lauschen wir.
Der größte seiner Art: Indri Indri
Kurze Zeit später kehrt er mit einer erfolgsversprechenden Geste zurück: Ein Finger liegt über seinen Lippen, während die andere Hand hektisch in eine Richtung deutet. Soll natürlich heißen: Schleunigst herkommen, und dabei keinen Mucks machen.
Da hängen dann tatsächlich ganz lässig ein paar Indri Indris in den Lianen und machen unbeirrt unserer Anwesenheit ihr Lemuren-Ding. Also Blätter essen, mit Ästen spielen, herumspringen, usw.
Unsere Eindrücke aus dem Park in unter 2 Minuten – inklusive Indri Indris!
Sifaka-Lemuren: Die Chancen stehen „1 zu 20“
Wir beobachten das tierische Verhalten, während Patrice schon längst wieder einen Schritt weiter denkt: Jetzt soll noch der ganz große Wurf gelingen. Es gäbe hier ein paar Sifaka-Lemuren. Die Chance, diese zu finden betrage „1 aus 20“, aber er gehe schon mal vor und versuche sein Glück. Wir, beim Ehrgeiz gepackt, folgen ihm. Der Diademsifaka ist ein besonders schöner Lemur, mit orangefarbenen Stellen im Fell. Ein scharfes Foto von dem Tier – eine Bereicherung für das Portfolio eines jeden Hobbyfotografen.
Aber ich will es nicht unnötig spannend machen: Auch der läuft uns vor die Linse. Dank der Beharrlichkeit von Patrice. Für einen, der das schon seit zehn Jahren macht, freut er sich arg ausgelassen. Unser Team high-fived sich in allen Konstellationen. Später wird uns Patrice erzählen, dass er die Sifakas rund alle zwei Wochen findet.
Wir beobachten ein Bündel Sifakas, das sich auf der Erde windet. Wie ein großer Fellhaufen, der sich bewegt. Später stellt sich heraus, dass sich drei Tiere zum Spaß ineinander verkeilt hatten, um sich gegenseitig zu necken.
Patrice ruft seine Guide-Kollegen an und berichtet stolz von seinem Fund. Um den Kollegen den Weg zu zeigen, geht Patrice ihnen entgegen.
Wir sind erst vor zwei Tagen in Madagaskar angekommen, und nun stehen wir im Wald. Alleine mit fünf Diademsifakas. „Krass“, flüstert Aylin, ungläubig. „Wir sind so krasse Glückspilze“. Wir beobachten gerührt und fasziniert diese unsagbar schönen Tiere.
Nach und nach stoßen die anderen Kleingruppen zu uns. Es wird enger. Ein stilles Gerangel um die besten Plätze zum Fotografieren beginnt. Der grobschlächtige Niederländer mit Tropenhut versaut es allen. Er will zu nah an die Tiere, stolpert dabei auch noch über eine Wurzel. Eine ganz unglückliche Aktion. Vermeidbar dazu. Die Lemuren ziehen sich verschreckt zurück. Ein anderer mit Profikamera, der den Finger seit Minuten am Auslöser hatte, reckt wütend die geballte Faust gen Himmel: Beraubt ihn dieser Amateur tatsächlich im letzten Moment um das gelungene Foto. Es sind dramatische Szenen in Andasibe.
Für uns war es ein perfekter Vormittag. Wir konnten alle erhofften Lemuren von der Liste streichen. Besser kann’s nicht laufen. Erstmal zurück in die Grace Lodge zum Lunch. Pommes mit Suppe wird uns angeboten. Ungewöhnliche Kombination, dennoch dankend angenommen.
Lemuren-Insel und Lemuren bei Nacht
Später besuchen wir noch die sogenannte Insel der Lemuren. Im Vakona Forest Reservat leben Lemuren, die aus Gefangenschaft befreit wurden. Mittlerweile so viele, dass es regelmäßigen Nachwuchs gibt, der dann im Nationalpark ausgewildert wird.
Wer vorhin also sein perfektes Foto verpasst hat, bekommt hier eine zweite Chance. Mit anderen Arten, dafür unter vereinfachten Bedingungen: Hier sind die Tiere so sehr an Menschen gewöhnt, dass sie uns auf die Schulter springen, als wären wir alte Bekannte. Wer sich für Details interessiert: Hier haben wir noch Bambus- und Black-and-white-ruffed-Lemuren angetroffen.
Als wäre das nicht schon Lemuren-Action genug für den Tag, treffen wir uns nochmal mit Patrice zu einer Nachtwanderung. Mit Taschenlampen leuchten wir in den Wald und suchen nachtaktive Tiere. Wir finden daumengroße Frösche auf Blättern, Chamäleons und sogar einen Mauslemur.
Fazit: Lemuren rocken! Weil die putzigen Fellträger zuverlässig sind: Die Chancen im Andasibe-Nationalpark mehrere Arten aus nächster Nähe zu sehen, sind hoch (außer, wie gesagt, beim Sifaka, wo unter den Guides die Faustregel 1 aus 20 kolportiert wird). Wir ziehen also mit Rückenwind weiter durch Madagaskar – nächster Halt Antsirabe!
Offenlegung: Unser Roadtrip durch Madagaskar wurde von Erlebe-Fernreisen unterstützt. Lieben Dank an Christina vom Madagaskar-Team für die kompetente Beratung und an Julia für ihre Engelsgeduld bei all unseren Fragen 🙂 !
Hallo Glückspilze, es liest sich, als wäre man selbst dabei gewesen. Sensationelle Fotos. Liebe Grüße von der Nachbarin. ☺
Hey Doris, super, dass dir der Bericht so gut gefallen hat 🙂 Aus Madagaskar kommt noch einiges! Ganz liebe Grüße!